Der Fall: Ein Mann fühlte sich von seiner Zahnärztin falsch behandelt. Er wollte deshalb gerichtlich gegen sie vorgehen. Dafür benötigte der Mann seine Patientenakte, weshalb er eine Kopie davon von der Ärztin verlangte. Die Ärztin forderte im Gegenzug, dass er die Kosten dafür übernimmt - das lehnte der Patient aber ab.
Aktuelle (bisherige) deutsche Regelung
Paragraph 630g BGB legt in Abs. 1 fest: Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. …
Nach Abs. 2 kann der Patient auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dann dem behandelnden Arzt die entstandenen Kosten zu erstatten.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)
Der EuGH hat am 23.10.2023 in der Rechtssache C‑307/22 entschieden, dass Patienten einen Anspruch auf eine Kopie ihrer Patientenakte haben. Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn die Patienten diesen Anspruch zu legitimen, aber datenschutzfremden Zwecken beantragen.
Bereits in seinen Schlussanträgen hatte Generalanwalt Emiliou am 20.04.2023 dem EuGH eine solche Entscheidung empfohlen. Aus seiner Sicht lässt sich eine gegenteilige Auffassung nicht auf eine Auslegung gemäß dem Wortlaut, dem Zusammenhang und der Systematik der einschlägigen Bestimmungen der DS-GVO stützen. Betroffene sind nach den gesetzlichen Vorschriften in Art. 12 und 15 DS-GVO nicht verpflichtet, Gründe für ihren Auskunftsantrag anzugeben. Gleichzeitig räumt die DS-GVO Verantwortlichen kein Ermessen ein, eine Angabe dieser Gründe zu verlangen und diese zu bewerten.
Der EuGH stellt dazu noch einmal fest, dass der betroffenen Person aus der wörtlichen Auslegung von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO das Recht zusteht, eine originalgetreue Reproduktion ihrer personenbezogenen Daten zu erhalten. Weder Art. 12 noch Art. 13 ermöglichen dem Verantwortlichen für den Auskunftsantrag der betroffenen Person eine Begründung zu verlangen.
Gleichzeitig wurde entschieden, dass dieser Anspruch vom Verantwortlichen, also dem Arzt, kostenlos zu erfüllen ist. In diesem Punkt ist der EuGH der gegenteiligen Empfehlung des Generalanwaltes nicht gefolgt. Eine nationale Regelung, die der betroffenen Person zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Verantwortlichen die Kosten für eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten auferlegt, ist nach Ansicht des EuGH unionsrechtswidrig. Damit ist auch § 630g Abs. 2 S. 2 BGB nicht mehr anwendbar.
Zusammenfassung
Patienten haben das Recht auf Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind. Dies umfasst, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten kostenlos zu überlassen ist.