Die elektronische Patientenakte – kurz ePA – soll noch in dieser Legislaturperiode als Opt-out-Lösung umgesetzt werden. So sieht das bereits der Koalitionsvertrag zwischen SPD, FDP und Grünen vor.
Wir haben bereits in unserem Tätigkeitsbericht 2021 (Seite 19) darauf hingewiesen, dass gesetzlich Versicherte seit dem 01.Januar 2021 die ePA bei ihrer Krankenkasse beantragen können. Die ePA ist eine von den Krankenkassen zur Verfügung gestellte elektronische Akte, die von den Versicherten geführt wird.
Den Versicherten werden darüber u.a. Befunde, Diagnosen, Therapiemaß-nahmen und Behandlungsberichte elektronisch bereitgestellt. Daneben können aber auch andere personenbezogene Daten besonderer Kategorien, wie z.B. der Notfalldatensatz, Arztbriefe, das Bonusheft für den Zahnarztbesuch, das Untersuchungsheft für Kinder, der Mutterpass oder die Impfdokumentation in die ePA integriert werden.
Vorgesehen ist, dass die bisherige Antrags-Lösung (Opt-in-ePA) in naher Zukunft in eine Widerspruchs-Lösung (Opt-Out) umgewandelt werden soll. Hintergrund dieser geplanten Umstellung ist, dass bislang weniger als 1% der gesetzlich Versicherten die ePA bei ihrer Krankenversicherung beantragt haben.
Um die Nutzung der E-Akten voranzutreiben, will die Ampelkoalition die ePA laut Koalitionsvertrag auf ein Opt-out-Modell umstellen. Bei der Opt-out-Regelung erfolgt die Einrichtung und Befüllung der Akte ohne Zustimmung der Patienten. Diese müssen stattdessen ausdrücklich widersprechen, um die Prozesse zu stoppen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Nutzung der in der ePA gespeicherten Daten zur Regel wird.
Die gematik Gesellschaft hat den gesetzlichen Auftrag, die Weiterentwicklung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und ihrer Infrastruktur in Deutschland voranzutreiben. Die Gesellschafter der gematik, wozu u.a. auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zählen haben am 7. November 2022 die Prüfung folgender Opt-out-Funktionen durch die gematik beschlossen:
- Bereitstellung der ePA für alle Versicherten,
- Zugriffsrechte aller Leistungserbringer auf die ePA im Behandlungskontext,
- Befüllung der ePA durch die behandelnden Leistungserbringer und
- automatische Weitergabe pseudonymisierter Daten aus der ePA zu Forschungszwecken.
Ärztevertreter befürchten, dass die ePA ohne diese Änderung zu einem PDF-Ablageort verkommen könnte. Versicherte und Versorger profitieren erst von der ePA, wenn ein strukturierter Datenaustausch zwischen den Versorgern stattfindet. Damit könnten z.B. Mehrfachuntersuchungen verhindert werden.
Befürchtet wird aber auch, dass datenschutzrechtliche Aspekte vernachlässigt würden, schließlich werden Gesundheitsdaten für einen langen Zeitraum vorgehalten und ausgetauscht. Prof. Dr. Christoph Krönke, von der Wirtschaftsuniversität Wien, gelangt in seinem im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung und der Stiftung Münch erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Opt-out-ePA durchaus DSGVO-konform ausgestaltet werden kann und sieht keine gesetzliche Notwendigkeit zum Vorrang der Opt-in vor der Opt-out-Lösung.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, sieht zwar auch Verbesserungspotenzial bei der ePA und kritisiert ebenfalls, dass aktuell PDF-Dateien statt strukturierter Daten abgespeichert werden. Zugleich steht er der Opt-out-ePA kritisch gegenüber und empfiehlt weiterhin die Nutzung der Opt-in-Lösung. Diese biete für jedermann die Möglichkeit selbst zu entscheiden, wer auf welche der eigenen Daten zugreifen könne.
Es bleibt also abzuwarten, ob und in wie weit die neu geplante Opt-out-ePA diese Möglichkeit berücksichtigt und vor allem wie Versicherte, die weder Smartphone noch Tablet nutzen, diese Einstellungen vornehmen können.
Der vierte Prüfungspunkt dürfte für die Forschung besonders spannend werden. Derzeit sind Forscher auf eine sog. breiten Einwilligung angewiesen. Mit einer automatisierten Datenweitergabe aus der Opt-out-ePA, hätten Forscherinnen und Forscher Zugriff auf pseudonymisierte Gesundheitsdaten aller Krankenversicherten, die der „Datenspende“ nicht aktiv widersprechen. Der Forschung stünde damit ein enormer Datensatz zur Verfügung. Geklärt werden muss in diesem Zusammenhang, wer Zugriff auf diese Daten bekommen soll.